25 Sep Wort+Bild-Aktion: Wiesn-Trost. Ein Gastbeitrag mit Fotografin Isabella Winkler
Wiesn – NoWiesn: Erinnerungen an ausgelassenere Zeiten
Dieses Jahr ist „Corona-Jahr“.
Für die meisten, nein, wahrscheinlich für alle von uns heißt das, dass dieses Jahr so einiges anders läuft als geplant, gehofft und gewünscht. Vor allem verbinden wir mit Corona Einschnitte: weniger machen, weniger sehen, weniger besuchen, weniger treffen, weniger reisen, weniger Geld, weniger Aufträge, weniger feiern. Und gerade das Feiern – und ich meine damit nicht die besinnungslose Bierseligkeit mit musikalischer Untermalung – ich meine das ausgelassene Zusammensein, das Hineintauchen in die Musik, das Tanzen, das Lachen, das man mit Freunden oder Fremden auf der Tanzfläche oder an der Bar teilt, verschwitzt, glücklich, entspannt.
Das fehlt.
If conversation was the lyrics, laughter was the music, making time spent together a melody that could be replayed over and over without getting stale. (Nicholas Sparks)
Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen. Von der Couch aus zu YouTube-Videos rocken oder Online Mitmachaktionen sind witzige Ideen, einen Ausgleich zu schaffen. Aber es ist wohl nur ein kurzfristiger Trost, oder?
Corona macht aber auch erfinderisch – neue Photostories entstehen aus Erinnerung & Hoffnung
Maßnahmen zu #socialdistancing #stayhome #staysafe #seeyounextyear etc, fordern uns umzudenken und neue Ideen zu entwickeln. Für unser Privat- und Berufsleben.
Das hat Fotografin und Mediengestalterin, Isabella Winkler (geb. Vogl), getan. Unser gemeinsames Ausstellungsprojekt „Place-to-be“ im Schwabinger Bienewitz ist rund ein Jahr her (siehe #viewwords). Eine Neuauflage konnte dieses Jahr leider nicht stattfinden.
Mit ihrer Bilderserie zur nichtstattfindenden Wiesn hat sie mich für eine neue Wort+Bild-Aktion begeistert. Sie hat für alle diejenigen, die mit der Wiesn eine gute Zeit verbinden, einen Trost in Bilderform gestaltet. Hier ein Auszug (alle Bilder auf ihrem neuen Instagram Kanal #vogl.frei. Check it out!):
Für Isabella geht es aber um mehr…
„A Gfui und a eigene Welt. Man muss sich auf das Oktoberfest einlassen, so wie es ist. Das was es für mich immer besonders gemacht hat, ist – egal welche Menschen sich auf dem Oktoberfest befinden, alle wollen einfach nur eine schöne Zeit verbringen. Gut, die die einfach nur bierselig werden wollen, gibt es auch. Aber, egal welchen Status, welche Nationalität, man ist bei diesem Fest zusammen am Feiern. Auf ein Prosit und Necken und Flirten. Deswegen verbinde ich schöne, aber auch kuriose Erinnerungen mit der Wiesn, die ich nicht missen möchte. Der Ausblick vom Riesenrad gehört dazu. Oder der Versuch, mit einem kleinen Schwips, das Toboggan zu bezwingen – aussichtslos.“
Isabella über ihre Wiesnzeit
Aus ihren schönsten Bilder(Erinnerungen) haben wir neue Photostories entwickelt. Ich habe dabei die Kreativtechnik „Drabble“ verwendet – zu jedem Bild eine Geschichte aus 100 Wörtern. Hier die ersten drei Bilder-Geschichten.
Die Wort+Bild-Aktion findet ihr auch auf #viewwords!

Als ich neun war, nahmen meine Eltern mich zum ersten Mal mit. Es war laut, es stank nach Bier und zu vielen Menschen unter der riesigen Zeltplane, die so hoch über mir hing wie sonst der Himmel. Ich war zu klein für die Welt der Großen und betrachtete sie wie ein verirrter Spatz aus der Vogelperspektive. Ausweichen! Wegspringen! Damit sie nicht über mich stolperten, die tanzwütigen Haferlschuah. Schließlich habe ich mich an die Bühne gestellt und Mama und Papas Füßen beim Danzn zugeschaut, bis mir schwindelig wurde. Heute ist es eine der schönsten Erinnerungen, die ich an die beiden habe.

Keine fünf Meter von mir entfernt, hockte sie allein vorm Zelt, ihr Rock war hochgerutscht, ich konnte ihre Waden sehen. Sie weinte. Soviel weiß ich noch. Ich nahm mir alle Zeit der Welt, mein Bier auszutrinken, in der Hoffnung, dass mir etwas Schlaues einfiel, um sie anzusprechen. Aber wie spricht man ein trauriges Mädchen an, wenn die eigene Zunge nur noch „Prosit“ zu lallen bereit war? Ich war zu betrunken, das wusste ich. Aber sie war die Frau, wissen Sie, die oane, die man nur einmal trifft! Ein letzter Schluck, ein bisschen Mut, dachte ich, dann bin ich zu ihr…

„Pfiat di!“ rief sie mir zu. Eine Kusshand. Ein Lachen. Dann verschwand sie in der Menge. „Jetzt warte doch!“ Ich sprang aus dem Sitz des Karussells, drängte und schubste mich hinter ihr her. Zöpfe, Dirndl wo man nur hinsah, es war mir unmöglich sie unter all den Wiesnbesuchern noch ausfindig zu machen. Dabei hatten wir uns doch so gut verstanden. Wir hielten uns sogar an der Hand auf dem Karussell. Da stolperte ich über ein Paar Schuhe. Ihre Schuhe. Die sie vor der Fahrt ausgezogen hatte. Ich hob sie auf und machte mich auf die Suche nach meiner barfüßigen Prinzessin.
(Bayerische Cinderalla Kürzestgeschichte)
Nicht nur für Wiesn-Liebhaber – eine Erinnerung an den Moment der Ausgelassenheit
Unser Wiesn-Special ist nicht nur an Wiesn-Liebhaber gerichtet, sondern an alle, die sich jetzt gerne erinnern wollen: an die beste Party, die spannendste Begegnung, den schönsten Song zum Tanzen oder Mitsingen, das geilste Konzert, den besten Club. Kurz: erinnern wir uns an Momente der Ausgelassenheit. Vielleicht finden sie ja bei euch auch trotzdem und gerade jetzt statt? Und wenn nicht (so wie für mich, die gerne tanzen geht):
Das wird alles wieder kommen, bestimmt! Bis dahin erinnern wir uns eben.
Schaut und lest… und teilt mit uns eure Erinnerungen, eure Stories zur Wiesn oder …? Habt ihr Lust, euer eigenes Drabble zu schreiben? Schreibt es uns auf #viewwords
Danke Isabella für die Idee, Deinen Beitrag und Deine Zeit für eine gemeinsame Aktion!